In Zeiten zunehmender Globalisierung wächst mit dem steigenden Kosten- und Anpassungsdruck auf die Unternehmen auch der Druck auf die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter, d.h. auf Gesundheit und Motivation in einem umfassenden Sinn. Das bestehende traditionelle System des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes ist dieser Herausforderung immer weniger gewachsen. Die Reaktion auf diese Situation ist unterschiedlich. Auf der einen Seite wird der Kostenfaktor Fehlzeiten beklagt und der Ruf nach mehr Kontrolle (Karenztage, Krankenbesuche, Rückkehrgespräche) wird laut. Auf der anderen Seite entstehen aber auch (wissenschaftliche und Management-) Konzepte, die die Bedeutung der Ressource Mensch betonen und ihre gesundheits- und motivationsförderliche Einbindung in die betriebliche Organisation fordern. Im Unterschied zur Diskussion der 60er und 70er Jahre, als z.T. bereits ähnliche Fragen diskutiert wurden, zeichnet sich dieser Zweig der neueren Diskussion durch ein vermehrtes Bemühen um ein systemisches oder sozial-ökologisches Verständnis der Zusammenhänge aus. Die z.Zt. vorliegenden systemtheoretischen Ansätze (z.B. Maturana, Luhmann, Selvini Palazzoli etc.), die hier prinzipiell einen wichtigen Beitrag leisten könnten, werden allerdings von den Arbeitswissenschaften (Biomechanik, Ergonomie, Arbeitspsychologie, Organisationssoziologie etc.) bisher noch weitgehend ignoriert. Nach wie vor wird hier in linearen Ursache-Wirkungs-Ketten gedacht. Die vorliegende Arbeit soll dazu beitragen, den systemischen Ansatz für die Frage nach den Möglichkeiten einer betrieblichen Förderung der Ressource Mensch nutzbar zu machen. Die Arbeit enthält einen Theorieteil und einen empirischen Teil (Fallstudie). Im Theorieteil entwirft der Autor ein Modell jener nicht-linear vernetzten (Rückkoppelungs-) Prozesse, in denen Gesundheit und Krankheit im Kontext moderner Arbeit entstehen. Betrachtet werden dabei die selbstreferentiellen Systeme Organisation, Person und biologischer Organismus sowie ihre Interaktion oder strukturelle Koppelung (Maturana). Die Art und Weise dieser strukturellen Koppelung entscheidet darüber, wieweit es dem jeweiligen System gelingt (oder mißlingt), äußere Störeinflüsse aus den jeweils anderen Systemen immer wieder zu integrieren, also Bewältigungsressourcen aufzubauen und so Gesundheit zu sichern. Der salutogene Betrieb ist dann dadurch gekennzeichnet, daß er zunehmend lernt, Hierarchie und Arbeitsorganisation fraktal (im Sinne von Warnecke) zu organisieren sowie das Belohnungssystem einerseits und das sachlich-technische System andererseits so zu gestalten, daß Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter gefördert werden. Und die gesunde Person zeichnet sich aus durch Selbstbewußtsein, insbesondere durch die Fähigkeit und Bereitschaft, auch noch in schwierigen Situationen mit Angst positiv umzugehen sowie selbständig und kreativ zu handeln. Im salutogenen Idealfall hat dann der Arbeitende das Gefühl, anerkannt zu sein, etwas zu bewirken, eine sinnvolle Arbeit zu leisten und durch seine Arbeit herausgefordert zu werden. Gemessen an einem systemisch-ganzheitlichen Verständnis von Gesundheit und Wohlbefinden in Organisationen erweist sich die betriebliche Realität in weiten Bereichen heute noch als demotivierend und krank machend. Dennoch gibt es erfolgversprechende und erprobte Methoden, um Organisationen und die in ihr arbeitenden Menschen zu vitalisieren (Warnecke). In der Fallstudie beschreibt der Autor auf der Basis der Auswertung von Zirkelprotokollen exemplarisch den Ablauf eines Gesundheitsförderungsprojekts in einem Betrieb der Elektronikbranche. In Gesundheitszirkeln lernen die Beteiligten, die pathogene Logik, nach der ihre Kommunikation funktioniert, zu transformieren. Damit entsteht ein tendenziell salutogener betrieblicher Kontext, in dem dann auch die Gestaltung der materiellen Arbeitsbedingungen (Ergonomie und Arbeitsorganisation) wesentlich effektiver und effizienter als bisher vorangebracht wird. Gesundheitszirkel können als ein Instrument angesehen werden, das sich vitalisierend auf die Organisation ebenso wie auf die in ihr arbeitenden Menschen auswirkt, Das vorliegende Papier entstand im Rahmen des am WZB durchgeführten und von der Hans-Böckler- Stiftung geförderten Projekts Bedingungen und Verläufe krankenkasseninduzierter Prävention und Gesundheitsförderung in Betrieben (Bearbeiter: Rolf Rosenbrock, Uwe Lenhardt).