Ein systemdynamisches Modell zur Erklärung der Entstehung von Premiummarken am Beispiel des Automobilsektors : ein systemdynamisches Modell mit kausalanalytischer Validierung
Mit sogenannten Premiummarken gelingt es Unternehmen immer wieder Margen zu erzielen, die deutlich über dem allgemeinen Branchendurchschnitt liegen. Fraglich ist daher, wie es zu einer entsprechend hohen Konsumentenpreisbereitschaft kommen kann, die erst überdurchschnittliche Margen erlaubt, und wie sich überhaupt solche attraktiven Premiummarken entwickeln und sich nachhaltig vom Basissegment abheben können. Die sich bipolar herausbildenden Marktsegmente unterscheiden sich auch in den Ausprägungen des Markenprofils (Qualitätswahrnehmung, Prestige). Das Ziel der vorliegenden Forschungsarbeit ist die Erklärung der Entwicklung des Premiummarkenphänomens (nachfolgend "Premiumphänomen") sowie darauf aufbauend Gestaltungsempfehlungen für die betriebliche Praxis abzuleiten. Es wird gezeigt, dass sich die Forschungsfrage nach den Entstehungsmechanismen des Premiumphänomens auf die überdurchschnittliche Preisbereitschaft (Preispremium) als operationalisierbaren Forschungsgegenstand reduzieren und fokussieren lässt. Grundlage der weiteren Untersuchung ist daher der Stand der Forschung mit den relevanten Theorien zur Entstehung von Preispremien.Anhand einschlägiger Forschungsbeiträge werden vier konsumentenorientierte Nutzendimensionen identifiziert, die eine Mehrpreisbereitschaft auslösen: wahrgenommene Qualität, symbolischer Nutzen (Prestige, soziale Abgrenzung/Zugehörigkeit), wahrgenommene Investitionssicherheit und Kosteneinsparung durch Senkung der Informations- und Transaktionskosten. Aus der Zusammenschau der relevanten Theorien (Referenzpreistheorie, mikroökonomische Ansätze von Shapiro und Klein/Leffler, Reputationsforschung, Prestigemarkenforschung, Brand-Equity Forschung) wird als eine zentrale Erkenntnis herausgearbeitet, dass die wahrgenommene Qualität der Konsumenten als Schlüsselgröße für eine Mehrpreisbereitschaft alle Forschungsansätze untereinander verbindet und damit als Ausgangspunkt einer Premiummarkenentwicklung festgemacht werden kann. Durch die qualitätsbezogene Informationsasymmetrie des Marktes kristallisiert sich die Reputationsentwicklung einer Marke / eines Produkts als Voraussetzung zur Premiummarkenentwicklung heraus: Die Reputation wird zur Überbrückung der nachfrageseitigen Informationsdefizite durch die Verbreitung sozial kollektivierter Qualitätsbeurteilungen benötigt, sie stößt einen dynamischen Entwicklungsprozess an. Eine Loyalitätsbasis wird dabei als Investitionssicherheit durch Wiederkäufer auf der Unternehmensseite für die aufwändigen Qualitätsinvestitionen als Basis eines qualitätsbezogenen Reputationsaufbaus aufgedeckt. Es zeigt sich eine starke Überlappung der relevanten Theorien durch gemeinsame Modellkonstrukte. Durch die kausalen Wechselbeziehungen der teilweise auch dynamischen Modellgrößen zwischen den diskutierten Forschungsdisziplinen wird zudem eine enge inhaltliche Vermaschung der Ansätze offensichtlich. Damit zeigt sich als ein bedeutender Erkenntnismehrwert dieser Arbeit, dass die Mehrpreisbereitschaft als ein Prozessphänomen nur vor einem ganzheitlichen, systemdynamischen Hintergrund verstanden werden kann. Das transdisziplinäre Wissenschaftsverständnis der Systemforschung wird folgerichtig als geeigneter Bezugsrahmen zur Untersuchung des sozialen Premiumsystems herausgestellt. Der System-Dynamics-Ansatz bietet dazu das geeignete Instrumentarium, die interdependenten Zusammenhänge adäquat in einem dynamischen System der Premiummarkenentwicklung abzubilden und zu analysieren. Auf der Grundlage der theoretisch hergeleiteten Zusammenhangshypothesen zwischen den Systemelementen wird ein qualitatives System-Dynamics-Modell der Premiummarkenentwicklung am Beispiel des Automobilmarktes in Form eines Kausaldiagramms hergeleitet. Als dynamische Hypothesen finden sie ihren Niederschlag in einem kohärenten, ganzheitlichen Modell. Sie explizieren die Regelkreise (Feedback-Loops) der systemischen Wirkzusammenhänge, die als Grundbausteine des Premiummarkenmodells herausgearbeitet werden. Um die Struktur des SD-Modells einer nomologischen Validitätsprüfung zugänglich zu machen, wird nach einer Eignungsprüfung die LISREL-Methode als "state of the art"-Instrument der Marketingforschung herangezogen. Dazu wird das dynamisch, rekursive SD-Modell in statisch, lineare Teilmodelle aufgespalten. Anhand von Fragenbatterien wird eine Operationalisierung der relevanten Modellkonstrukte des Automobilmarktes vorgenommen, um die latenten Modellkonstrukte in einer empirischen Umfrage für die quantitative Kausalanalyse (LISREL) zu erheben. Die hergeleiteten Kausalmodelle (LISREL) werden anhand der erhobenen Datenbasis (Internetfragebogen) einer eingehenden Überprüfung unterzogen, wodurch die dem SD-Modell unterstellte Modellstruktur durch konfirmatorische Tests anhand der etablierten Gütekriterien bestätigt wird. Es wird aufgezeigt, dass eine rein mentale Simulation der entdeckten komplexen Systemzusammenhänge durch die kognitiven Begrenzungen des menschlichen Verstandes limi-tiert ist (bounded rationality). Zur Erforschung des dynamischen Systemverhaltens des exemplarischen SD-Modells wird ein experimentelles Simulationsmodell hergeleitet, indem die qualitativen Zusammenhänge durch mathematische Funktionsgleichungen definiert werden. Es werden zwei Modelle für die Systemanalyse entwickelt: Das endogene Modell beschreibt eine emergente Entstehung des Premiumphänomens anhand einer interdependenten und dynamischen Wechselwirkung von Systemelementen, die aus der Analyse des Forschungsstandes hergeleitet sind. Das exogene Modell ermöglicht die Untersuchung explizit vorgegebener Entwicklungspfade des Qualitätsniveaus, wodurch unterschiedliche Qualitätsstrategien in der Simulation nachvollziehbar gemacht werden. Die Systemsimulationen vermitteln tiefere Einsichten in die dynamischen vernetzten Prozesse der Premiumentwicklung und sie ermöglichen Implikationen für die Unternehmenspraxis, die aus einer statischen, linearen Analyse so kaum ersichtlich wären. So wird zum Beispiel in der Simulation die Geschwindigkeit des Reputationsaufbaus als kritischer Erfolgsfaktor einer Premiummarkenentwicklung ersichtlich. Unter anderem wird auch die Erwartungssteuerung in der Simulation als wichtiges Instrument der Premiummarkenentwicklung identifiziert, um einer Anspruchsinflation entgegenzuwirken und das Zufriedenheitsniveau als Grundlage der Loyalitätsentwicklung zu verstetigen. Es kann festgehalten werden, dass die Kombination der angewandten Forschungsmethoden System-Dynamics und der empirische LISREL-Ansatz zu einer besseren Erklärungsgüte und Belastbarkeit der Forschungsergebnisse beitragen: Der System-Dynamics-Ansatz dient der Strukturierung und prozessorientierten Analyse des komplexen Premiumphänomens und der Offenlegung des Systemverhaltens anhand einer Modellsimulation, der LISREL Ansatz zur empirischen Bestätigung der herausgearbeiteten Wirkzusammenhänge. Aufgrund der branchenneutralen Untersuchung der elementaren Wirkprinzipien des Premiumsystems lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse die hier exemplarisch am Beispiel des Automobilmarktes dargestellt worden sind auch auf unterschiedliche Produktbereiche unter Berücksichtigung gewisser Restriktionen übertragen (z.B. qualitätsbezogenes Differenzierungspotenzial), sie können als Grundlagen für weiterer wissenschaftliche Forschungsarbeiten dienen.
Alternative title: | A system dynamics modell for the explication of the development of premium brands using the example of the auomotive industry : a system dynamics modell with causal-analytical validation |
---|---|
Year of publication: |
2010
|
Authors: | Bommer, Thomas |
Publisher: |
Universität Stuttgart / Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Betriebswirtschaftliches Institut, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftliche Planung |
Subject: | Premium-Marke | Kausalanalyse | Premiummarken | Preispremium | System-Dynamics | Mehrpreisbereitschaft | Brand Equity | Prestigemarken | premium brands | premium price | prestige brands |
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