Wandel oder Kontinuität : ein kritischer Beitrag zur Diskussion um handelsrestriktive Umweltmaßnahmen im Rahmen der WTO
Eva Maria Doerr
Das internationale Freihandelsregime wurde in den vergangenen Jahren von wenigen Themen so stark geprägt, wie von seinem Verhältnis zum Umweltrecht. Der vorliegende Beitrag konzeptualisiert und problematisiert den im wissenschaftlichen Diskurs häufig verkürzt dargestellten Zielkonflikt zwischen Handel und Umwelt. Die Annahme, mit der strukturellen Änderung des Freihandelsregimes 1994 habe sich seine Regelsetzung zugunsten restriktiverer Umweltstandards entwickelt, wird anhand eines Vergleiches der beiden WTO-Streitschlichtungsverfahren, US-Tuna und US-Shrimp, bewiesen. Die Ursachen dieser Entwicklung gilt es jedoch kritisch zu hinterfragen. Ein detaillierter Blick auf beide Streitfälle entkräftet supra-national sowie sozialkonstruktivistisch argumentierende Erklärungsmodelle, die die Schlussfolgerung zu-lassen, es habe ein institutioneller bzw. normativer Wandel hin zu einem "Greening of the GATT" stattgefunden. Stattdessen, so die These, eignet sich vielmehr ein intergouvernementaler Erklärungsansatz, der Entscheidungen der WTO vor dem Hintergrund der rationalen Interessen ihrer Mitgliedsstaaten reflektiert. Um künftig effektiven und nachhaltigen Umweltschutz zu garantieren, bedarf es einer substantiellen Neuorientierung staatlicher Präferenzen, die bisher nicht stattgefunden hat.