Das Management moralischer Interessen : Zur Praxisrelevanz von Tugenden in der Wirtschafts- und Unternehmensethik
Für viele Zeitgenossen wirkt der Ausdruck ‚Tugend‘ gegenwärtig reichlich altbacken. Bereits1935 schrieb Paul Valéry, das Wort habe „einen leicht lächerlichen Klang“ und sei „nur nochim Katechismus, in der Posse […] und in der Operette anzutreffen.“1 Dieser (vermeintliche)Funktionsverlust der Tugend (des Individuums), den manche als Werteverfall, andere aber alslogische Konsequenz der funktionalen Differenzierung moderner Gesellschaften ansehen, löstauch in Ethikdebatten unterschiedliche Reaktionen aus: Während die einen Krokodilstränenangesichts dieses ‚Verlustes der Tugend‘ vergießen2, wird der Relevanzverlust der klassischenTugendethik von anderen angesichts der Bedingungen der Moderne ausdrücklich proklamiert,so etwa von Karl Homann: „Das Paradigma der Ethik wird von der [...] Tugendethikauf eine […] Ordnungsethik umgestellt. […] Moral erscheint […] nicht mehr […] als Tugend,sondern als (rechtliche) Restriktion.“3 Die Tugend scheint also in Schwierigkeiten geraten zusein...